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Extreme Ownership ist eine moderne und sehr interessante Abhandlung über Führungsprinzipien aus dem direkte Kampfeinsatz der Navy SEALS. In der militärischen Führung sind Konzepte wie Selbstorganisation und dezentrale Entscheidungsfindung schon lange etabliert, weil sie sich wiederholt bewährt haben. Der sehr amerikanische Stil, mit dem die Gefechte im Irak beschrieben werden, erfordert zuerst Gewöhnung.
Meine Notizen
Das Buch ist in drei Hauptbereiche und 12 Kapitel unterteilt.
1. Den inneren Krieg gewinnen
a) Extreme Ownership
Führungskräfte sollten für alles, was in in ihrem Wirkungsbereich geschieht, die volle Verantwortung übernehmen und dies auch ihren Mitarbeitern vorleben.
Die Führungskraft steht für alles gerade, was in ihrer Welt passiert.
Wenn zum Beispiel Mitarbeiter nicht das tun, was sie tun sollen, liegt der Fehler nicht bei den Mitarbeitern, sondern ausschließlich bei der Führungskraft. Sie muss die Strategie erklären, die Taktik festlegen und den Zugang zu Ausbildung und Ressourcen sicherstellen.
b) Es gibt keine schlechten Teams, nur schlechte Führer
Ein Beispiel aus der Höllenwoche der Navy SEALS ist besonders einprägsam. Ein Team gewinnt alle Wettkämpfe, läuft schneller als die anderen beim Schlauchboottragen und wuchtet das Boot schneller die Dünen rauf und runter. Ein anderes Team verliert ständig und leidet deswegen unter Strafübungen der Ausbilder und dadurch schlechter Moral. Die Ausbilder tauschen daraufhin die Führungskräfte der beiden Teams. Das vormals schlechteste Team liefert sich fortan ständig einen Kampf um den ersten Platz mit dem vormals überlegenen Team.
Zum Erreichen höchster Leistungsstandards geht es nicht darum, was die Führungskraft predigt, sondern was sie toleriert.
Wird ein Leistungsstandard von der Führungskraft festgelegt und bei Nichterreichen keine Konsequenzen gezogen, wird das neue Leistungsniveau zum defacto Standard.
c) Glaube
Um andere zu überzeugen, einer Mission zu folgen, muss eine Führungskraft von der Mission wahrhaftig überzeugt sein.
Es liegt in der Verantwortung (Extreme Ownership) der Führungskraft, sich selbst die Intention hinter einem Plan zu erarbeiten, um ihn glaubhaft und nachhaltig vertreten zu können. Die Führungskraft muss selbst überzeugt sein, um andere überzeugen zu können.
d) Das Ego unter Kontrolle halten
Arroganz überschattet und zerstört alles: den Planungsprozess, die Fähigkeit, Ratschläge anzunehmen und die Bereitschaft, konstruktive Kritik akzeptieren.
Eine Führungskraft muss daher dafür sorgen, dass alle Beteiligten klar ist, warum sie sich an bestimmte Regel halten müssen oder warum Kritik berechtigt ist.
Als Beispiel werden hier einige Navy SEALS genannt, die mit konventionellen Streitkräften zusammenarbeiten müssen. Diese neigen aufgrund ihrer überlegenen Ausbildung zur Arroganz. Interessant auch, dass sie sich häufig nicht an militärische Körperpflegestandards halten und zum Beispiel lange Haare und Dreitagebärte tragen.
2. Die Gesetze des Kampfes
a) Deckung und Bewegung
Deckung und Bewegung: Das ist die grundlegendste, vielleicht sogar einzige Taktik. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet Deckung und Bewegung nichts anderes als Teamwork.
Auch die Zusammenarbeit mit Schnittstellen wie anderen Abteilungen oder Dienstleistern unterliegen den Prinzipien von Extreme Ownership. Als Führungskraft muss ich dafür sorgen, dass die Schnittstellenpartner ihre Rolle und ihren Beitrag zum Erfolg verstehen und leben, auch wenn ich nur indirekt darauf Einfluss nehmen kann.
b) Einfach
Wie allem im Leben wohnt dem Kampf Komplexität inne. Die größtmögliche Vereinfachung ist entscheidend für den Erfolg.
Ein gutes Beispiel: Bonusregelungen müssen so einfach und nachvollziehbar wie möglich gestaltet werden. Das stellt sicher, dass jeder Mitarbeiter versteht, was er tun muss, um seine finanziellen Ziele zu erreichen. Je radikaler man dies vereinfachen kann, desto besser. Verhalten ändert sich nur, wenn jeder den Zusammenhang von Verhalten und Anreizen auch versteht.
c) Prioritäten setzen und ausführen
Um das Prinzip Prioritäten setzen und ausführen in einem geschäftlichen Umfeld, einem Team oder einer Organisation einzuführen, muss eine Führungskraft:
- das Problem mit der höchsten Priorität einschätzen,
- dem Team die Aufgabe mit der höchsten Priorität einfach, klar und knapp vermitteln,
- eine Lösung entwickeln und bestimmen, nach Möglichkeit auch Anregungen von wichtigen Führungskräften und vom Team aufgreifen,
- die Umsetzung dieser Lösung anleiten und alle Bemühungen und Ressourcen auf dieses Ziel fokussieren,
- sich dem Problem mit der nächsthöheren Priorität zuwenden und das Ganze wiederholen,
- bei einer Prioritätenverlagerung innerhalb des Teams für situationsabhängige Achtsamkeit in beide Richtungen der Befehlskette sorgen,
- den Fokus auf eine Priorität nicht zu einer Zielfixierung und der Unfähigkeit führen lassen, die Entstehung oder Ausbreitung anderer Probleme zu erkennen.
Navy SEALS finden sich häufig in komplexen Situationen mit hohen Risiken wieder. Es ist daher essentiell, die Lage in kürzester Zeit zu beurteilen und eine Entscheidung zu treffen. Die Führungskräfte werden zum Priorisieren erzogen, da Menschenleben davon abhängen.
d) Dezentrales Kommando
Teams müssen in handhabbare Größen von vier bis fünf Mitgliedern heruntergebrochen werden, von denen einer die Führungsrolle übernimmt und ermächtigt ist, wesentliche Entscheidungen zu treffen.
Dezentrale Entscheidungsfindung und Selbstorganisation werden schon sehr lange beim Militär gepredigt, da sie als Organisationsform in Kampfsituationen mit hohen Risiken und vielen Unsicherheiten klassichen Top-Down-Ansätzen deutlich überlegen sind. Bemerkenswert finde ich, dass gerade eine hierarchische und konservative Organisation wie die Navy SEALS Organisationsansätze verfolgen, die das Idealbild von agilen Coaches für jegliche Organisationen befürwortet werden.
3. Den Sieg bewahren
a) Planung
In der Planung bei den Navy SEALS wird die Mission als zentrales Objekt bemüht. Die Zielsetzung muss von den Führungskräften verstanden werden, um die Mission effektiv den Soldaten erklären. Präzision und Eindeutigkeit sind entscheidend, um eine effektive Kommunikation zu ermöglichen und die Intention der Mission zu klären. Jedes Teammitglied muss nachvollziehen können, inwieweit die Mission die Zielsetzung unterstützt und im Zweifel Rückfragen stellen, Kritik äußern und Verbesserungsvorschläge machen können. Die Mission darf nicht zu detailgenau geplant werden, sondern muss im Rahmen der Zielsetzung Raum für Entscheidungen bieten.
b) Führen innerhalb der Befehlskette
Beim Führen nach unten ist es wichtig, dass alle Untergebenen eine Vorstellung der Rolle der Führungskraft (und der höheren Führungskräfte über ihr) haben. Für was sind sie da, wobei können sie helfen, und was wissen sie vielleicht nicht?
Beim Führen nach oben ist es entscheidend, dass man selbst die Aufgabe hat, das Verhalten und die entsprechende Leistung der eigenen Führungskraft sicherzustellen.
Wenn ihr Chef keine zeitnahen Entscheidungen trifft oder die für Sie und Ihr Team notwendige Unterstützung bietet, geben Sie die Schuld nicht ihm. Prüfen Sie, was Sie besser machen können, um die notwendigen wichtigen Informationen zu liefern, mit denen Entscheidungen getroffen und Hilfen erteilt werden können.
c) Entschlossenheit bei Unsicherheit
In Situationen großer Unsicherheit, die auf dem Schlachtfeld zweifellos an der Tagesordnung sind, müssen Führungskräfte die ihnen vorliegenden, unvollständigen Informationen berücksichtigen und auf dieser Grundlage die beste Entscheidung treffen. Man muss sich stets dessen bewusst sein, dass es keine 100% richtigen Entscheidungen gibt.
d) Disziplin gleich Freiheit – der Zwiespalt des Führens
Genau wie Disziplin und Freiheit auf den ersten Blick widersprüchliche Ziele sind, steht auch eine Führungskraft häufig vor Trade-Off-Entscheidungen. Zumindest das Bewusstsein, dass es solche Trade-Offs in der Realität häufig gibt, ist eine wichtige Eigenschaft für Führungskräfte.
Interessantes
- Chris Kyle, Autor des Buchs American Sniper und Vorlage für den gleichnamigen Film mit Bradley Cooper, stand in Ramadi unter dem Kommando von Jocko Willink.
- Jocko Willink wurde dem Mainstream durch einen Auftritt im bekannten Podcast von Tim Ferriss bekannt. Er trat dort auf, um sein Buch zu promoten.
- Nach weiteren Auftritten in bekannten Podcasts (u.a. bei Joe Rogan) startete Jocko seinen eigenen Podcast unter dem treffenden Namen Jocko Podcast.